Wandern

24. Berliner Polarnacht – Oder wie der Name schon sagt.

Als ich vor nicht mal einem Jahr begann, mit Carolas Mammutmarsch-Trainingsgruppe durch Berliner und Brandenburger Wälder zu wandern, las ich auch ihren Erfahrungsbericht über die Polarnacht im Januar 2016. Wie kann man nur so bekloppt und schmerzgeil sein, dachte ich mir. Im Winter – nein, nein, nein, sowas würde ich mir nie antun.

Haha ihr ahnt es. Irgendwie habe ich diese Meinung verworfen und irgendwie weiß ich nicht ganz wieso. Denn Ich mag den Winter nicht und sobald der Boden auch nur annähernd rutschig wird, bewege ich mich wie eine 80-Jährige auf Schlittschuhen. Ich bin auch eher der Typ, der nur ans Ausrutschen denken muss, um dies tatsächlich in die Tat umzusetzen.

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Aber erstmal von ganz vorne: Was ist denn diese Polarnacht?

Die Polarnacht ist eine vom Wandersportverein Rotation Berlin e.V. veranstaltete und ausgerichtete 100km Wanderung, die auch in einem Teilstück von 50km (entweder bei Nacht oder bei Tag) gewandert werden kann. Beschrieben wird die Wanderung auf der Webseite http://www.berliner-polarnacht.de/ wie folgt: “Geführte Wanderung mit Temperaturmessung an einem Kältepol Berlins.”  Die Kältemessung erfolgt im Eiskeller, gleich nach dem so benannten kulturellen Höhepunkt – der Einkehr im McDonalds an der Zitadelle.

Und dann ging es los immer mehr Facebook-Wander-Freunde meldeten sich für die Polarnacht (und ließen Herrn Pagel wahrscheinlich in eine kleine Organisations-Panik strudeln) und da auch mein Training in den letzten Monaten vernachlässigt wurde, dachte ich, das sei doch ne gute Idee und für mich als Zweifache 100km-Bezwingerin sollte das ja wohl drin sein. Ich fragte noch Tim, der sich ja mit für den Mammutmarsch angemeldet hatte und Basti, der sich auch für die Tageswanderung begeistern konnte. Ich schrieb dem Organisatoren Herrn Pagel eine E-Mail, der prompt antwortete und mit mir dann noch ein paar Zeilen Polnisch-Übung austauschte.

Dann überlegte ich wochenlang, was ich wohl anziehen soll, denn gewandert bin ich bis dahin nur in halbwegs warmen Temperaturverhältnissen (abgesehen von den Nachtwanderungen vielleicht) aber definitiv immer ohne Schnee. Und man sucht ja auch immer einen guten Grund, sich mal wieder in den Decathlon zu begeben….

Naja so richtig begeistert war ich von den warmen Sachen nicht, also entschied ich mich am Ende für die Zwiebelvariante und meine alten Sachen.

Ca. 2 Wochen vor der Wanderung begann ich gespannt, den Wetterbericht zu verfolgen, erst sah es gut aus, 3-4 Grad PLUS und dann ging es los – Regen – Schnee – Null Grad. Auch am Vorabend der Wanderung sagte mein Wetter noch Regen und Sturmböen voraus. Naja kann man jetzt nicht mehr ändern. Wir schauen dann mal. Abends dachte ich noch “ein Glück muss ich jetzt nicht schon wandern” – Beim Aufwachen um 6 Uhr dachte hingegen “Jetzt hätte ich es schon beinahe hinter mir” und quälte mich aus dem Bett. Da auf der Website 07:40 Treffen stand und in der Mail etwas von 07:45 und die Bahnfahrt eben perfekt passte um 07:45 da zu sein. Noch zu Hause schrieb ich dem lieben “Bob Müller” wie es ihm geht. Er sagte es seien nur noch 3km und, dass es scheiße glatt sei. Und dann geriet ich doppelt in Panik, hoffentlich kommen wir nicht zu spät, wenn die jetzt schon fast da sind und dann das mit der Glätte … naja im Tageslicht wird das Eis bestimmt schmelzen. Haha.

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Pünktlich um 07:45 erreichten wir den Bahnhof in Falkensee und wurden schon eifrig erwartet. Die ganze Gruppe warte extra auf uns bzw ein Teil ist schon losgezogen. Es galt keine Zeit zu verlieren. Also gingen wir im Eilschritt hinter dem Pulk hinterher, was eigentlich fast sofort unmöglich wurde, da fern der Berliner Stadtmitte wirklich alles noch in Schnee, Eis und Glätte lag. Sofort begann ich mich an Tim festzukrallen und bemühte mich irgendwie mit der Gruppe Schritt zu halten. Der Schweiß strömte in meine Wind- und Wetterfeste Jacke und ich begann zu sinnieren, wie lange wohl dieser “Wald-Rutsch-Teil” von der Gesamtstrecke einnehmen würde. Wir stiegen über unzählige Zentimeter-dicke Eisschollen, wechselten immer wieder vom Weg auf das Feld, wo die gefrorenen Sandhaufen wahre Stolperfallen darstellten.

Ich war im Dauer-Panik-Mode – alle Muskeln angespannt, um nicht hinzufallen. Irgendwann erreichten wir dann das Berliner Hochgebirge, um den Teufelsberg herum. Jetzt ging es also bergauf und bergab – super. Als Tim eine Klopause machte, wähnte ich mich mutig und lief bestimmt 10 Minuten ohne Jemanden, an den ich mich klammern konnte und natürlich passierte es, ich legte mich schön lang. Fix wieder aufgestanden, so schlimm war es gar nicht… Weiter ging es zu unserer ersten und einzigen Pausenstation bei Kilometer 23, dem Restaurant Waldhaus, nahe des Grunewaldturms. Die hatte ich auch bitter nötig, denn ich hatte natürlich nicht gefrühstückt und auf dem Weg in der Eile und bei der Rutscherei kaum etwas gegessen. Im Restaurant war netterweise ausreichend Platz für alle Wanderer reserviert worden und so nahmen wir alle im urigen Waldhaus Platz und ich genoss eine Cola. Es war so schön warm, man wollte fast nicht wieder aufstehen insbesondere, da uns der Abstieg vom Berg bevorstand (haha ich dachte dies wäre der erste und einzige….

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Frau Pagel wies uns noch darauf hin, nicht auf den Drachenberg zu wandern, da dort die Rutschigkeit ihren Höhepunkt erreicht hatte und die Gefahr dort einfach viel zu groß sei. Wir prägten uns ein, wo man anders abbiegen muss und zogen dann mit unserer finalen Truppe weiter. Basti und sein Kumpel(dem wir einen Kasten Bier schulden, weil sie die Gruppe dazu anhielten, auf uns zu warten), Astrid, Diana, Sascha, der bereits 50km mehr als wir auf dem Tacho hatte, Tim und ein Herr aus der Schlemmer-Wandergruppe, der seine Gruppe verloren hatte. Ein lustiges Gespann. Wir zogen immer und immer weiter und rätselten immer mal wieder, ob der Großteil der Gruppe nun eher vor oder hinter uns unterwegs war. Die Strecke wurde wirklich gar nicht besser, nur die Beine schwächer.

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Es gab immer mal wieder Momente, wo keiner von uns mehr auf dem normalen Weg gehen konnte, sondern wir uns dann auf den Seitenpfaden an Bäumen entlang schlängelten. Gegen Nachmittag kam die Sonne heraus und das erhellte mein Gemüt nochmal ganz schön. Ich genoss die Wanderung und plauderte fröhlich mit allen Mitläufern. Als wir uns der Stelle näherten, die wir eigentlich umgehen sollten, entschieden wir spontan, uns doch auf den Drachenberg zu wagen, da es gerade nicht so rutschig und die Aussicht eigentlich immer den Aufstieg Wert ist. Die Treppen waren dann eine wirkliche Herausforderung. Durch Schnee und eis waren die Treppen kaum noch normal benutzbar, da die Auftrittsfläche komplett angeschrägt und rutschig war. Irgendwie schafften wir es dennoch im Schneckentempo nach oben und ja – wie geahnt, es hatte sich gelohnt. Sascha, nunmehr bei Kilometer 80 hielt sich so wacker, wenn ich darüber nachdachte, wie oft ich bei meinem 100er pausieren musste und wie sehr ich mein Tempo zu diesem Zeitpunkt schon eingebüßt hätte.

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Später liefen wir am Olympiastadion vorbei und gerieten auf unseren letzten Hügel, der eine recht interessante “Gedenk-Installation” beherbergte. Im ganzen Abschnitt waren unzählige Verkehrsspiegel aufgestellt, doch Autos fuhren dort sicher nicht. Später entdeckten wir, dass diese mit Mahnsprüchen bedruckt waren und wir fragten uns etwas, wie das genau gedacht war und später, wie man am besten ein Gruppenselfie darin machen konnte. Ein letztes Mal ging es bergab – anscheinend auch mit mir. An einem gewissen Punkt sah ich einfach kein Vorankommen mehr – bzw- nicht ohne Sturz – also musste Tim zu mir steigen und mich das Hügelchen runterkriegen.

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Dann waren wir endlich in städtischeren Gefilden, endlich kein Rutschen mehr – dachte ich. Kannste vergessen. Da die gesamte Route Straßen vermied, liefen wir bis zum Ende auf eisigen Sandwegen – ich war allerdings schon etwas routinierter und gleichgültiger. Beim Schloss Charlottenburg angekommen rückte das Ziel immer näher und die Sonne immer tiefer. Wir philosophierten über die Zukunft der Jugend, übers Kinder erziehen und Sascha wurde immer ruhiger. Mittlerweile spürte ich auch erste Überanstrengungserscheinung war aber frohen Mutes, die 50km gut zu bewältigen. Wirklich kreuz und quer ging es durch den Tiergarten, am Potsdamer Platz und Brandenburger Tor vorbei und endlich zum McDonalds an der Friedrichstraße.

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Der eigentliche Weg – zu rutschig

Die Füße taten nun wirklich weh aber ich war heiter und freute mich auf das Ziel. Ich hatte wirklich größten Respekt vor der Nachtgruppe, die diese ganze Rutschpartie auch noch in völliger Dunkelheit überstanden hatten. Vorm McDonalds posierten wir noch für unser Ziel-Bild und schon holten wir uns unsere Urkunde von Herrn Pagel ab. Die ganze Organisation und die Menschen waren einfach super – alles so liebevoll durchdachte und sehr familiär. Die Wandergruppe war sicherlich eine der besten Bereicherungen, die ich im letzten Jahr dazugewonnen habe und diese Wanderung war schon wieder der beste Beweis dafür!

4 Kommentare zu „24. Berliner Polarnacht – Oder wie der Name schon sagt.

  1. Hi Nina,super geschrieben unser Nachtlauf wahr wirklich sehr abenteuerlich und es gab viele Ausrutscher.
    Höhepunkt wahr eben der Eiskeller,aber auch die Wanderungen um die Seen und Kanäle waren einfach toll.
    Eine Wanderung bei diesen Wetterverhältnissen ohne jeglichen Knochenbruch ist doch schon ne Höchstleistung wert!
    Gruss Sven Meden / Nachtlauftruppe

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    1. Oh ja, ich war am Ende auch wirklich überrascht, dass wir alle halbwegs heil angekommen sind! Um den Eiskeller dann mal wirklich zu sehen, muss ich wohl auf jeden fall nächstes Jahr dabei sein und dann sogar in der Nacht – na da hoffe ich mal auf +10°C 😉

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