Reisen · Wandern

Eine Nacht im Kosovo

Da ich mir meine Urlaubstage noch ein wenig aufsparen wollte, dachte ich, ich nutze das verlängerte Oktoberwochenende für einen ersten kleinen Urlaub, seit ich meinen neuen Job angetreten habe. Wochenlang suchte ich nach guten Angeboten. Leider ist genau dieses Wochenende natürlich auch viel teurer als die anderen und meine Auswahl durch mein selbstgestecktes Ziel, alle Länder Europas bereisen zu wollen (bis ich 30 bin), etwas beschränkt – da ich alle gängigen Destinationen bereits besucht habe.

Die Zeit verging, bis eines Tages ein Airline-Newsletter in mein Postfach flatterte mit einer Anzeige für günstige Flüge nach Pristina. Pristina – Kosovo. Tatsächlich hatte ich dieses Ziel ganz weit hinten auf meine Liste gepackt. Ich dachte, dort müsse ich wohl eher in Begleitung hin und günstig würde es bestimmt auch nicht sein. Aber nun spukte es in meinem Kopf herum. Ich checkte das Angebot und fand heraus, dass es wenn dann nur Flüge von Sonntag bis Montag gäbe. Eigentlich passte mir das ganz gut, so hätte ich noch den Samstag etwas frei und außerdem ging ich irgendwie davon aus, dass es sowieso wahrscheinlich eher nicht so toll/gefährlich/langweilig sein könnte. Da passt eine Nacht doch super. Schnell abgehakt und weiter gehts.

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Über den Bergen..

Natürlich versuchte ich schon mich vorzubereiten. Das Auswärtige Amt sagte nichts äußerst beunruhigendes außer vielleicht das: “In Kosovo befinden sich mehrere hunderttausend illegale Schusswaffen in Privatbesitz; die Hemmschwelle zu deren Einsatz ist vergleichsweise niedrig. Der Einsatz von Waffengewalt richtet sich jedoch in aller Regel nicht gegen Ausländer. “ Nun gut. Wird schon nicht. Weiter ging die Recherche: was kann man denn da machen? Die Google-Suche zeigte ca. 3 Bilder: von der Nationalgalerie, vom “Newborn”-Monument und den Jugendpalast. Urlaubsberichte fand man kaum und auch meine übliche Youtube-Reisebericht-Suche ergab Null Komma nichts.

 

Die Tatsache, dass mind. 95% Muslime in diesem Land lebten, machte mich etwas unruhig in Bezug auf meine Kleiderwahl, aber dennoch entschied ich mich am Ende, dieses Abenteuer zu wagen. Hostelworld ließ mich zwischen 2 Hostels wählen und so buchte ich Flug und später Hostel. Doch etwas mulmig und mit dem Plan, nicht zu vielen davon zu erzählen, da ich mir keine Angst einreden lassen wollte. Beim 100km-Marsch traf ich dann noch Andre, der 2 mal im Kosovo stationiert war und befragte ihn, was ich dort tun könne. Er erzählte mir vom Fluss und einigen schönen Brücken. Das wunderte mich, da ich bei Wikipedia gelesen hatte: “In der Stadt gibt es keine Flüsse mehr. Die bis in die 1950er Jahre existierenden Flüsse, die Priština/Prishtina und die Veluša/Vellusha, wurden durch Müll und Erde weitgehend zugedeckt und verschwanden aus dem Stadtbild. “. Auch später, als ich zu Hause auf der Karte nach den Flüssen suchte, war nichts zu finden. Dies war wohl das erste Anzeichen dafür, wie sehr sich dieses Land in den wenigen Jahren verändert haben musste.

Natürlich wurde ich in der Woche vor der Reise krank und machte mir bereits etwas Sorgen, wie ich das alles überstehen solle, aber genau zur Rechten Zeit (so ungefähr einen halben Tag vorher) war ich wieder halbwegs bei Kräften. Um 4 Uhr morgens klingelte mein Wecker unnötigerweise – denn ich war schon wach. Vor lauter Angst zu verschlafen, konnte ich seit 3 Uhr nicht mehr einschlafen. Ich nahm noch mal ein warmes Bad, griff später meinen kleinen Rucksack und los konnte die Reise gehen. Ich erreichte den Flughafen rechtzeitig und begutachtete am Gate meine Mitreisenden. Wen könnte ich später fragen, mit mir ein Taxi zu teilen? Ich hatte nämlich gelesen, dass es keinen öffentlichen Transport vom Flughafen in die Stadt gäbe und, dass die Taxen gut und gerne 25-30 Euro für eine Fahrt verlangten. Etwas happig, wenn man nur eine Nacht blieb.

Irgendwie traute ich mich dann doch nicht und flog in knapp über 2 Stunden einmal über den kompletten Balkan. In Pristina angekommen ging ich zur Information und fragte, ob es eine andere Möglichkeit gäbe, als ein Taxi zu nehmen. Gab es nicht. Auf weitere Nachfragen erklärte die junge Frau mir etwas verwirrt, dass ich 15 Euro für eine Taxi-Fahrt ausgeben solle und nicht mehr. Mit diesem Verhandlungsziel trat ich auf den Parkplatz heraus. Innerhalb weniger Sekunden umringten mich ca 15 Taxifahrer, die gerne 20 Euro für die Fahrt kassieren wollten. Ne ne ne. Da habe ich direkt den Kopf geschüttelt und gesagt 15 sonst mach ichs nicht. Sie blieben stur, bis ich ihnen den Rücken zuwand und so tat als ob ich gehen wolle.

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Ja es gibt Pokemon im Kosovo!

Dann klappte alles super. Für 15 Euro begab ich mich auf die etwa 30-Minütige Fahrt und war sofort super positiv überrascht. Die Landschaft war prächtig und die Stadt recht geordnet und von einigen interessanten Gebäuden gesäumt. Mein Hostel war recht gut versteckt in einem etwas heruntergekommenen Haus, dafür war es innen um so schöner und ich habe mich sofort wohlgefühlt(Han-Hostel – sehr zu empfehlen!). Bereits kurz nach dem einchecken erzählte mir jemand, dass an diesem Abend das BeerFestival stattfinden würde und da ich mir vorgenommen hatte, zumindest nachts nicht alleine herumzulaufen, fragte ich direkt die beiden Jungs, die nach mir eincheckten und die witzigerweise auch in meinem Flugzeug saßen, ob sie mitkommen wollen. Das war also geregelt und ich konnte losziehen.

 

 

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Youth Palace

Achja ich habe noch kurz (aus rein wissenschaftlichen Gründen) überprüft, ob Pokemon Go funktioniert und ja – tatsächlich kann man das super im Kosovo spielen. Vom Hostel-Jungen habe ich eine Karte bekommen, sodass ich mich halbwegs orientieren konnte. Ich zog los und lief zuerst zum Jugend-Palast, suchte dann das Newborn-Monument und später die Clinton-Statue und die Nationalbibliothek. Auf dem Weg lag auch noch die Mutter Theresa-Kathedrale und so gab es wirklich einiges zu sehen. Entgegen meiner Befürchtungen hatte ich wirklich gar keine Probleme – alleine als Blondine
da herumzulaufen. Ich merkte schon, dass ich mit interessierten Blicken versehen 2016-10-02-11-22-10wurde, aber dabei blieb es auch. Ein junger Herr fragte mich auf meinem Weg zu Clinton, ob er Dinner mit mir haben könne und auf mein “no sorry” verzog er sich dann auch sofort wieder. Allgemein laufen eigentlich kaum Frauen mit Kopftüchern herum – wohl weniger als in einer normal besetzten U8.

 

 

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Newborn in Pristina
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Mutter Theresa Kathedrale
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Moschee neben der Bibliothek
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National- und Universitätsbibliothek

 

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Ja – ich kann Karten lesen 🙂

Nachdem ich also viele der Sehenswürdigkeiten abgeklappert hatte, wanderte ich ein wenig weiter durch die Stadt, stöberte durch die Supermärkte, wo man die Wahl zwischen teilweise sehr teuren importierten Produkten und sehr günstigen im Land produzierten Waren hatte. Ich kaufte ein paar lustige Riegel als Mitbringsel und zog dann weiter, mir die umliegende Umgebung, sowie einen süßen Stadtpark anzusehen. Dort gab es Softeis für 30 Cent und ich war glücklich. Auf der Karte stöberte ich nach meiner Park-Pause, was ich noch machen kann und entdeckte die Märtyrer-Gräber, ein Glück, denn diesen Ort fand ich echt super. Ein skurriles rundes Etwas stand auf einem Hügel, umgeben von Betonmauern und daneben befanden sich die besagten Gräber

Scheen
Märtyrer-Monument
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Der Blick über die Stadt von dort aus war der Wahnsinn. Allgemein ist das tolle an einem touristisch kaum erschlossenen Land natürlich die Tatsache, dass man die Sehenswürdigkeiten für sich hat. So lümmelte ich eine Weile dort herum und machte lustige Bilder. Mittlerweile konnte ich mich schon ohne Karte orientieren und wanderte zurück in die Stadt. Viele Straßen waren mit gemütlich aussehendes Cafes gesäumt und dann fiel mir wieder ein, dass der Hostel-Typ meinte, dass der Turm der Mutter-Theresa Kathedrale entweder bis 16 Uhr oder ab 16 Uhr geöffnet hatte. Es war gerade 16 Uhr geworden und ich hoffte auf Zweiteres. Völlig unauffällig war inmitten der Bauzäune um die Kathedrale ein Eingang zum Turm und tatsächlich.

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Youth Palace

 

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Blick über die Stadt von der Mutter Theresa Kathedrale

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Für 1 Euro durfte ich den Fahrstuhl nach oben nutzen. Der Blick von oben war top und ich konnte mir alles, was ich mir den Tag über erlaufen hatte, von oben betrachten. Nachdem ich schätzungsweise 30 Mal jede Seite der Stadt begutachtet hatte, fuhr ich wieder herunter und machte mich zurück ins Hostel. Dort entspannte ich noch ein wenig und lernte noch einen Nürnberger kenne, der sich auch noch unserer BeerFestival-Runde anschließen wollte. Pünktlich um 19 Uhr zogen wir gespannt los, es war schon dunkel und ich passte vor lauter Quatschen beim Weg kaum auf, aber irgendwie kamen wir ans Ziel, es war eine riesige Open-Air-Location kaum gefüllt, aber gut von Polizisten bewacht.

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Beerfestival wir kommen

Zunächst holten wir uns alle ein Bier (bzw. ich einen Cider) und als wir wieder zusammenkamen, berichteten wir alle gleichzeitig schockiert und erfreut, dass das Bier nur 1 Euro kostete. So war schnell der Plan geschmiedet, sich von Stand zu Stand (und davon gab es so einige) zu trinken. Bereits nach meinem ersten Cider merkte ich jedoch, dass ich wohl maximal jede zweite Runde mithalten würde. So verging Runde um Runde und es wurde immer lustiger. Wir spielten Trinkspiele und wunderten uns, warum keiner der immer mehr werdenden Kosovaren tanzte. Noch später begannen wir zu tanzen und mit den Leuten zu quatschen.

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Unser Trupp
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Nina has a very good time
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Nationalstolz

 

Es war mittlerweile brechend voll und nachdem Techno, Metal-Band und südamerikanische Musik vorüber waren, wurde zum Höhepunkt auch noch Volksmusik gespielt. Wir reihten uns fröhlich in die im Kreis tanzende Menge ein und hatten alle so unseren Spaß. Irgendwann war dann der Punkt erreicht, wo wir es nicht mehr schafften unsere Gruppe beisammen zu halten. Ich war viel zu betrunken und sagte den zwei anderen, die noch bei mir waren, dass ich jetzt nach Hause gehe und so war es dann auch. Das tolle am Betrunken sein ist ja, dass man den Weg dennoch findet. Ich lief und lief und irgendwann kam mir etwas bekannt vor und schon war ich im Hostel.

 

Chillin im Hostel

 

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Frühstück gegen den Kater

Dort fand ich noch 3 Leute im Gemeinschaftsraum vor und gesellte mich zu ihnen. Einer hat Gitarre gespielt und wir haben gequatscht und alle 30 Minuten trudelte der nächste unserer Partytruppe wieder ein. Kaum einer konnte noch verständlich reden, alle nuschelten wir nur noch so vor uns her. Es war wirklich Zeit, ins Bett zu gehen. Die Nacht war entsprechend kurz und wirklich gut konnte ich auch nicht schlafen. Dennoch stand ich um 8 und zog wenig später los, um einen Park außerhalb der Stadt anzusehen. Ich lief ca. eine Stunde, bis ich das Gelände erreichte. Es handelte sich dabei eher um einen Landschaftspark, als einen kleinen Park, was ich erwartet hatte. Das Areal war sehr schön, alles gut gepflegt, mit verschiedenen Wanderwegen, vielen netten Sitzgelegenheiten, Spielplätzen und Toiletten. Ich wäre gern noch viel länger dort umhergewandert, allerdings musste ich bei Zeiten zurück ins Hostel, da mein Flug um 16 Uhr gehen würde. Um 14 Uhr holten mich die Jungs aus dem Hostel, die nicht nur den gleichen Hinflug und das gleiche Hostel gebucht hatten, sondern auch noch den gleichen Rückflug, mit dem Taxi ab und wir fuhren gemütlich mit unserem lustigen Taxifahrer zurück zum Flughafen.

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Ausflug in den Park
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Love is in the air
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Und am Ende grüße ich Chuck Norris

Diese kleine Reise war wieder mal ein echtes Highlight für mich und hat meine Balkanliebe noch verstärkt. Irgendwann will ich mal einen Roadtrip durch diese Länder machen und die ganzen kleinen Orte zwischendrin und die wahnsinnige Landschaft auf diese Weise erfahren.
Achja und dann habe ich mich an meinem ersten eigenen Youtube-Video versucht, weil ich ja selbst keine Informationen finden konnte. Es ist echt nicht so toll geworden und ich habe schon die erste negative Bewertung, wer trotzdem gerne einen Einblick bekommen will:  https://www.youtube.com/watch?v=VTnq94U2S60

2 Kommentare zu „Eine Nacht im Kosovo

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