Reisen · Wandern

Non parlo italiano und andere Geschichten der rastlosen Reisenden

 

Hallo Italien!

Da ich nun doch noch ein wenig Zeit zwischen meiner abgeschlossenen Ausbildung und meinem darauf folgenden Trainee-Programm hatte, entschied ich recht spontan noch fix mal Urlaub zu machen. Eigentlich wollte ich ja budgetgetrieben lediglich in Deutschland wandern gehen, doch zog mich mal wieder irgendeine dunkle Kraft zur Google-Flugsuche und schon war es passiert. Ich fand einen Flug nach Mailand-Bergamo – hin und zurück für 26€. Da konnte ich nicht widerstehen und dachte mir “in Italien muss man ja auch wandern können”.

Also warf ich einen Blick auf die Karte und überlegte – ach ja Bergamo, das passt: Berge, Seen in der Nähe und bestimmt gutes Wetter – das hört sich nach einem Plan an. Auf der gpsies-Seite fand ich auf die Schnelle eine Route von Bergamo zum Gardasee, was mich schlussendlich zur Buchung des Fluges bewegte. Erst danach überschlug ich, wie viel ich pro Tag würde zurücklegen müssen und schaute nach Hostel-, Airbnb- und wo es diese nicht gab nach Hotelzimmern. Gut, dass ich die Flüge schon gebucht hatte, denn schnell wurde mir bewusst, dass ich das Geld, welches ich bei den Flügen gespart hatte, bei den Unterkünften noch und nöcher würde ausgeben müssen.


Egal, ich fand jeweils akzeptable Unterkünfte und die Tage in Berlin verflogen nur so. Ca. 2 Tage vor Abflug kam ich auf die grandiose Idee, meinen Streckenverlauf mal bei google in der Streetview anzusehen um dann festzustellen, dass die Route fälschlicherweise als Wanderoute eingetragen wurde. Der gesamte Streckenverlauf folgte einer vielbefahrenen Straße, ohne Fußgängerweg und teilweise durch lange Tunnel. Ooops. Und die Zimmer waren schon gebucht. Ich als Meisterin der Anpassungsfähigkeit habe mir dann gedacht: Naja wird schon irgendwie. Auch galt es noch einen Plan zu machen, wie ich es schaffen sollte, das Deutschland Halbfinale um 21 Uhr anzusehen wo ich doch erst 20:30 landen würde und das Hostel 8km vom Flughafen also beinahe 2 Stunden zu Fuß entfernt war (die Busse zum Hostel  fuhren anscheinend nicht sehr spät in Bergamo). Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mir mal ein Taxi zu gönnen, aber als der Taxifahrer bei Ankunft am Flughafen dann sagte es würde mich 25 Euro für diese kurze Strecke kosten, entschloss ich mich doch, mit dem letzten Bus in die Innenstadt zu fahren.


Ein kleiner lokaler Bus war gerade vor meiner Nase abgefahren, also nahm ich den Touri-Bus mit der Aufschrift “Stazione Centrale” oder so ähnlich, der doch tatsächlich ganze 5€ für diese kurze Strecke wollte. Egal, wird schon seinen Grund haben, dachte ich mir – und den hatte es dann auch. Als ich auf Google-Maps nachsehen wollte, wie ich dann vom Hauptbahnhof zum Hostel kommen würde, entfernte sich dieser kleine Standort-Punkt immer weiter von dem von mir anvisierten Bahnhof, und irgendwie fuhren wir auch gerade auf eine Autobahnauffahrt – mensch, so weit ist der Bahnhof doch nun wirklich nicht enfernt…


Nach dem zweiten Autobahnschild mit der Aufschrift “Milano” dämmerte mir dann so langsam mein Schicksal. Ich war in den komplett falschen Bus gestiegen. Schnell googelte ich, Mailand war ganze 50km entfernt und es schien nicht, als würde um 21:30 noch mal ein Bus von Mailand nach Bergamo zurückfahren, wo man bereits im vorreservierten Hostel auf mich wartete. Was nun? Mir eröffneten sich in diesem Moment unzählige Ideen:


  1. Busfahrer zum Stoppen zwingen
  2. Irgendwie wieder zurück nach Bergamo kommen
  3. Eine Nacht als Obdachlose in Italiens Modehauptstadt
  4. Alles irgendwie unrealistisch


Zu 1) Wir waren mitten auf der Autobahn in einem Land, wo neben Busfahrern auch sonst fast niemand Englisch zu sprechen schien.


Zu 2) Eventuell würde noch ein Zug zurück nach Bergamo fahren – aber sicher war es nicht und dann hätte ich noch mal den Marsch von 8km bis zum Hostel vor mir gehabt, vom verpassten Fußballspiel wäre dann schon nicht mal mehr die Rede gewesen.


Zu 3) Nein danke 🙂


Zu 4) Ich aktivierte meine Auslands-Surf-Option auf dem Handy und googelte nach Hostels in Mailand. Für ca 18 Euro gab es etwas! Nur eine halbe Stunde zu Fuß von dieser verfluchten Zentralstation, die mich so verwirrt hatte. Ich buchte und schrieb dem Hostel in Bergamo einen mitleiderregenden Text, welcher sie dazu bewegen sollte, mir die zuvor gebuchte Nacht nicht vom Konto abbuchen zu lassen. (Immerhin das klappte später)


Endlich in Mailand angekommen wackelte ich im Dunklen zum neuen Hostel, das Spiel lief bereits eine halbe Stunde, dennoch schien sich niemand in diesem Land dafür zu interessieren. Da war sicher noch etwas verletzter Stolz vom kürzlichen Ausscheiden der landeseigenen Mannschaft m Spiel.


Im Hostel angekommen durfte ich dann meinen Personalausweis zum Einchecken abgeben und in der Zwischenzeit den Rest des nahezu unerträglichen Matches in dem wir leider ausschieden, auf meinem Backpack neben mehreren Franzosen sitzend, ansehen. Das Zimmer war okay, an den Geruch bereits sehr lange nicht mehr gewaschener Socken gewöhnte ich mich schnell – umso besser mit dem Wissen, dort nur genau diese eine Nacht zu verbringen.


Ansonsten zeigte sich mein unfreiwilliger Mailand-Abstecher eher als Verbesserung. Von Mailand aus kam ich fixer zu meinem ersten Ziel nach Brescia, als ich es von Bergamo aus geschafft hätte. Mitsamt Gepäck kam ich bereits gegen 8 oder 9 Uhr dort an und machte mich sofort auf zu meiner ersten Tageswanderung. Auch das war ein recht spontaner Einfall, denn die ursprünglich geplante Strecke konnte ich ja nicht laufen, bzw. nur, wenn ich besonderen Spaß beim Laufen entlang der Autospur empfinden würde.


Blick auf Brescia
In the jungle…

Mit vollem Gepäck wanderte ich los und durfte schnell realisieren, dass ich dazu neige, immer wieder die gleichen Fehler zu machen. Nach ca. 1 Stunde Bergauflaufen war die Hälfte meines nicht mal 2 Liter umfassenden Wasservorrates zur Hälfte aufgebraucht und um mich herum war Wald. Überall. Meine geplante Route würde ich so nicht mehr laufen können erkannte ich immerhin rechtzeitig genug, um noch etwas daran zu ändern. Ich suchte nach dem nähsten Restaurant, welches ca weitere 5km entfernt lag. Natürlich dauerhaft bergauf und leider auch entlang einer Mountainbike-Strecke, was mir erst auffiel, als es schon zu spät war. Ich kann euch sagen, zum Wandern sind die echt nicht gedacht. Die Mittagshitze gab mir den Rest und ich wanderte immer 2 Minuten bergauf, 1 Minute Pause, 2  Minuten bergauf – 1 Minute Pause die restlichen Kilometer bis zum Restaurant.


Dort wurde ich mit einer wundervollen Aussicht, kalter Cola und Apfelkuchen für meine Mühen belohnt. Die Kellnerin war sehr nett, glaube ich zumindest, verstanden habe ich sie natürlich nicht. Mit weiteren 2 Wasserflaschen bestückt konnte ich meine Wanderung nun fortsetzen. Die ursprünglich geplanten 35-40km schienen unrealistischer denn je, es war einfach zu heiß und zu bergig, daher entschied ich weitere 10 km später, den Weg zurück nicht noch mal über Berg und Tal zu klettern, sondern mich schön außen rum von google- Maps durch die Dörfer navigieren zu lassen.







Brescia
Gegen 18 Uhr erreichte ich wieder Brescia und lief noch ein kleines bisschen durch die süße, überhaupt nicht touristische Stadt, um auch davon noch etwas zu sehen und einen Supermarkt zu finden, der mir mein Abendbrot ermöglichen würde. Wenig später traf ich auf meine Airbnb Gastgeberin- die mich in ihre schöne Wohnung ließ wo ich von 2 riesigen, weniger schönen, dennoch halbwegs zutraulichen Hunden begrüßt wurde. Ich wollte nur noch duschen und schlafen und war wohl wenig kommunikativ, was sich dann auch in ihrer späteren AirBnB- Bewertung über mich niederschlug: “Nina was very quiet and clean.” Naja, wenn das mal jeder über mich sagen würde 🙂 Am nächsten Morgen zog ich wieder sehr früh weiter zum Busbahnhof der Stadt. Leider fanden sich dort keinerlei Hinweise auf den Bus, welchen ich nehmen wollte. Nachdem ich 20 Minuten lang immer wieder hin- und hergelaufen war, schaffte es ein Busfahrer meine Frage nach dem passenden Bus zu verstehen (indem ich “Bus” und “Toscolano Maderno” sagte). Es schien einen weiteren Busbahnhof für regionale Busse zu geben, wenn ich mich beeilen würde, würde es noch hinhauen – und das tat es dann auch. Pünktlich stieg ich um 7:21 in den Bus.
Kaltes – Klares – Wasser

 

 

Strandfeeling in Toscolano
In Toscolano angekommen, wollte ich eigentlich nur eine kurze Runde durch das Städtchen laufen und dann erstmal den bergigen Weg zu meinem nächsten AirBnB besteigen, als ich allerdings am Strand vorbeilief und realisierte, dass es um 9 Uhr morgens bereits mehr als 30 Grad warm war entschied ich dann doch, erstmal ein wenig Abkühlung zu genießen bevor es weiterging. Diese Abkühlung dauerte dann bis ca 13 Uhr an, es war einfach zu schön und erholsam für meine bereits vom Vortag geschundenen Füße. Das Wasser war angenehm kühl, kristallklar und mit einem Ebook(reader) in der Hand konnte ich nichts tun, außer einfach mal zu entspannen. Irgendwann war es dann doch an der Zeit zu meinem AirBnB zu ziehen, der Weg dahin erwies sich auch als noch anstrengender als erwartet, Bergauf, eine Straße entlang in der Mittagshitze, ich hatte mal wieder super mitgedacht.


Nach schätzungsweise einer Stunde kam ich in Gaino an, jedoch fand ich den Eingang geschweige denn die Straße zu meinem Appartment nicht. Die Gastgeberin antwortete auch nicht mehr sodass ich eine weitere halbe Stunde schwitzend umherlief. Dann fand ich ihn endlich – etwas versteckt lag da der Eingang zum Haus. Ein Fenster war offen – ich rief, aber keiner reagierte. Also setzte ich mich und wartete, ich hatte ja schließlich geschrieben, dass ich da bin. Nach 20 Minuten herumsitzen fiel mir dann doch so ein komisches Ding an der Wand auf – eine Klingel. Ich klingelte und prompt öffnete mir ein junger Typ, oberkörperfrei und breit grinsend die Tür. Etwas verwirrt trottete ich ihm hinterher. Er war sehr gesprächig, so erfuhr ich schnell, dass er der Sohn der Gastgeberin war, welche derzeit selbst im Urlaub sei und ihn beauftragt hatte sich um die Gäste des Hauses zu kümmern. Das Haus war toll, eine riesige Terasse mit traumhaftem Blick und das Zimmer simpel aber schön und sehr schön kühl durch die alten Gemäuer.


Auch meine Blasen genießen die Aussicht
Blick auf Toscolano
Da ich vor dem doch recht anstrengenden Aufstieg zu dem Apartment nicht ausreichend eingekauft hatte, musste ich wohl oder übel noch einmal hinunter, um mir Verpflegung zu holen und eventuell noch ein paar Stunden im Wasser zu gönnen. Dabei besichtigte ich auf dem Weg eine schöne kleine Kirche mit einem noch schöneren Ausblick und einen sehr leckeren Eisladen. Inmitten fast ausschließlich italienischen Familien (die Touris warteten dann alle in Riva del Garda) vergnügte ich mich noch ein – zwei Stunden am Strand und kaufte mir später mein Abendessen. So endete mein Tag nach dem erneuten Erklimmen des Weges zum Apartment recht ruhig und früh, da ich auch am nächsten Morgen wieder früh raus wollte, um den ersten Bus zu erwischen und der extremen Hitze zu entgehen.Die Fahrt war mal wieder atemberaubend, die ganze Zeit am Gardasee entlang, hatte ich einfach einen fantastischen Ausblick. An einigen Stellen häuften sich die Kitesurfer zu hunderten, was einen unglaublichen Anblick ermöglichte, die vielen bunten Segel gaben einfach ein zu schönes Bild ab, was auch gut davon ablenkte, dass mir der Italiener neben mir immer näher auf die Pelle rückte.


Blick auf Riva
Kitesurfer am Gardasee
Riva del Garda ist der größte am Gardasee gelegene Ort und wohl auch der am meisten von Touristen überflutete. Bevor ich mich im klaren Nass abkühlte, wollte ich wieder zumindest eine kleine Wanderung machen, was mit zunehmender Blasenanzahl wirklich stark erschwert wurde. Die Strecke lohnte sich allerdings total, ich kam vorbei an Weinhängen, schönen Bergen und urigen Farmen, später dann am komplett überfüllten Steinstrand, wo ich mich zu einer weiteren Pause verlocken ließ. Ab 15 Uhr konnte ich in das super zentral gelegene Hostel einchecken, wo ich bereits mit Namen begrüßt wurde, so viele weibliche Gäste schienen sie an diesem Tag wohl nicht zu empfangen.
Italienischer Wein

 

Der „Strand“ von Riva
Gerüstet für das Spiel
Den Rest des Tages verbrachte ich mit der Erkundung der Stadt und der Erspähung der besten Lokalität für das EM-Finale. Dies erwies sich als schwierig, da ich recht konkrete Vorstellungen zu haben schien. Es musste bezahlbar sein, die Bildschirmgröße ausreichend und das Klientel ertragbar. Am Ende irrte ich so lange umher bis es mir auch egal war und setzte mich in den Außenbereich eines kaum vollen Restaurants. Eigentlich war das dann doch ganz gut dort, es füllte sich nach und nach und ich gönnte mir das erste Mal auf der Reise ein Restaurant-Essen: Um Melone gewickelter Parma-Schinken und ein Glas Rotwein.


Das Spiel zog sich ewig und ich wurde etwas hibbelig, da mein Wecker am nächsten Tag mal wieder viel zu früh klingeln würde. Also entschied ich mich nach den erfolglosen 90 Minuten den Rest des Spieles vom Hostel aus zu verfolgen, wo ich auch auf meine Zimmergenossinen traf, welche anscheinend nicht mal von der Existenz eines EM-Finales wussten. Nett waren sie trotzdem. Am nächsten Morgen schaffte ich es mal wieder mit Umwegen rechtzeitig in den Bus zu steigen und entschied spontan, noch einen Abstecher nach Verona zu machen, da es doch erstaunlich nah war. Also nochmal einen kleinen Umweg gefahren, der es echt Wert war.
Statue in Verona


Verona
Verona ist ziemlich schön und ich hatte viel zu wenig Zeit, um mir alles auch nur annähernd ansehen zu können, denn nach ca. 4 Stunden dort musste ich bereits wieder zurück Richtung Bahnhof hetzen um dann nach Bergamo zu fahren. Auch in Bergamo wollte ich mir die Altstadt nicht entgehen lassen, ich hatte sie zwar vor Jahren schon einmal gesehen, aber so ganz verpassen wollte ich sie auch dieses Mal nicht. Aber können die Italiener denn nicht mal irgendwas nicht auf einem Berg errichten? Mit vollem Gepäck dauerte der Weg in die Altstadt ein weiteres Mal eine gefühlte Ewigkeit und lohnte sich nur halbwegs, denn es war einfach schon zu spät, alles war schon zu und ich schon recht kaputt. Also zog ich weiter zum Hostel, welches natürlich nachdem ich den Berg wieder runter bin auf einem Berg lag.


Die Geschichte von der geistesgestörten Zimmernachbarin erpsare ich euch. Am nächsten Morgen ging es mit dem Bus zum Flughafen, wo wir dann auf Grund eines Gewitters zwei weitere Stunden warten durften, sodass ich dann vom Flughafen in Berlin direkt zur Arbeit musste.

 

Alles in allem war es ein sehr schöner Urlaub, der mal wieder viel zu ereignisreich war und wenig Zeit für Erholung ließ, was das angeht scheine ich unheilbar zu sein, aber ich gelobe Besserung!

 

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